Unglück im Physiksaal nur eine Übung
Am Samstagabend übten über 150 Einsatzkräfte den Ernstfall in der Grund- und Mittelschule in Gräfensteinberg. Nach einem angenommenen Unfall im dortigen Physiksaal gab es eine Vielzahl an Verletzten zu retten, einen Brandherd zu löschen und einiges mehr. Für eine realistische Darstellung sorgten Kräfte des Roten Kreuzes, auch ein Hubschrauber der Polizei beteiligte sich an der Großübung. Die Verantwortlichen zeigten sich im Nachhinein sehr zufrieden mit dem Verlauf und bedankten sich bei allen Beteiligten.
Weißer Rauch dringt aus dem Physiksaal, Schreie hallen durch das Gebäude und in der Ferne hört man die Feuerwehrsirene heulen. Etliche Krankenwägen machen sich auf den Weg, aufgeregte Menschen laufen kreuz und quer. Nach ein paar Minuten treffen Feuerwehrautos und Rettungswagen ein, ein hektisches Treiben beginnt. Für den Außenstehenden hat das was jetzt passiert kein System, trotzdem ist alles genau durchdacht. Nach einiger Zeit kreist ein Hubschrauber über der Unglücksstelle und es treffen immer mehr Fahrzeuge ein. Die Feuerwehrleute holen immer mehr Personen aus dem Gebäude, sie scheinen schwer Verletzt zu sein. Wenn da nicht Personen wären, die Warnwesten mit der Aufschrift „Übungsbeobachter“ oder „Übungsverantwortlicher“ tragen, könnte man meinen, dass etwas Schreckliches passiert ist. Aber es ist eine groß angelegte Übung für die Feuerwehren aus Gräfensteinberg und Umgebung, auch das Bayerische Rote Kreuz ist mit dabei.
Für die ehrenamtlichen Einsatzkräfte in unserem Landkreis sind Übungen ein wichtiger Bestandteil ihrer Ausbildung, um für den Ernstfall gerüstet zu sein. Damit diese Veranstaltungen so realistisch wie möglich durchgeführt werden können, müssen hin und wieder unangekündigte Szenarien erstellt werden. So wird ein Stresslevel erzeugt, der einer echte Einsatzsituation sehr nahekommen kann. Schreiende und geschminkte Mimen dürfen dabei natürlich nicht fehlen, genauso wie der künstlich erzeugte Brandrauch. In Situationen, welche schnelles handeln erfordern, passieren immer wieder Fehler, die bei Übungen erkannt werden können. Nur so sind die Einsatzkräfte auf richtige Notfälle vorbereitet.
Um kurz nach halb sieben wurden die ersten Kräfte mit dem Stichwort „Brandmeldeanlage in Schule ausgelöst“ alarmiert. Für sie bot sich ein erschreckendes Bild, weshalb sie sofort Verstärkung nachforderten. Umgehend wurden weitere Einheiten alarmiert. Insgesamt waren von Obererlbach bis Pfofeld zwölf Feuerwehren auf den Beinen. Mit neun Fahrzeugen kamen die Brandschützer, auch die zwei Tragkraftspritzenanhänger von Seitersdorf und Eichenberg wurden eingesetzt. 110 Mann waren von Seiten der „Roten“ vor Ort um die Lage unter Kontrolle zu bringen. Sie mussten die Verletzten aus dem Gebäude retten, den Brand bekämpfen, die Löschwasserversorgung mit einer langen Schlauchstrecke sicherstellen, den Hubschrauberlandeplatz ausleuchten und zu guter Letzt auch noch eine verletzte und verwirrte Person suchen, die in Panik davongelaufen war. Viele Aufgaben für eine sehr kurze Zeit, trotzdem wurde strukturiert alles mit Erfolg abgearbeitet.
Auch vom Bayerischen Roten Kreuz waren umfangreich Sanitäter eingesetzt. Sieben Fahrzeuge waren angerückt um Patienten zu transportieren, mehrere weitere um Notärzte und Einsatzleiter an die Übungsstelle zu bringen. Zuerst mussten die Verletzten gesammelt und untersucht werden, damit die Einsatzkräfte entscheiden konnten, wer zuerst abtransportiert werden muss. Im Dunkeln und in einer unübersichtlichen Situation ein schwieriges Unterfangen. In relativ kurzer Zeit konnten dann 13 Patienten abtransportiert werden. Insgesamt hatte das Rote Kreuz 21 Sanitäter und 4 Ärzte im Einsatz.
Um diese hohe Summe an Einsatzkräften koordinieren zu können, hatte die Übungsleitung von vornherein die „IuK-Einheit des Katastrophenschutzes“ (Information und Kommunikation) aus dem hiesigen Landkreis angefordert. Sie erstellten Lagepläne, dokumentierten den Verlauf und unterstützen den Einsatzleiter Feuerwehr tatkräftig. Die Sanitäter richteten sich in einem extra mitgebrachten Mannschaftstransportwagen ein.
Zusätzlich wurde die Notfallseelsorge in den Einsatzverlauf mit eingebunden. Die speziell geschulten Kräfte sind im Bereich der psychosozialen Notfallseelsorge ausgebildet und können betroffene in Akutsituationen und psychischen Ausnahmefällen für mehrere Stunden betreuen. Für den weiteren Verlauf kennen sie auch die richtigen Ansprechpartner, falls eine weiterführende Behandlung notwendig ist. Für die Einsatzkräfte standen auch Spezialkräfte bereit. Sogenannte Peers sind Notfallseelsorger, die nur für die eingesetzten Helfer da sind. Sie benötigen eine noch umfangreichere Schulung, da sie die Arbeit der Feuerwehrkräfte und Sanitäter nachvollziehen müssen. Bei dieser Übung in Gräfensteinberg waren fünf dieser Spezialkräfte im Einsatz.
Besonders bei dieser Übung war die Beteiligung der Polizei. Diese war mit einem Streifenwagen vor Ort und der Hubschrauber „Edelweiß 1“ beteiligte sich ebenfalls. Da mit dem Polizeihubschrauber auch Patienten transportiert werden können, wurde dies in den Übungsverlauf mit eingespielt. Da es schon dunkel war, musste die Feuerwehr den Landeplatz hierfür ausleuchten.
Im Anschluss an die Übung stellten die Verpflegungseinheit des BRK aus Georgensgmünd das Leibliche Wohl sicher und gab Getränke und einen Eintopf aus. In der Abschlussansprache bedankte sich alle Übungsverantwortlichen bei den beteiligten Kräften. Der Organisator Peter Herchenröther, der nicht nur Mitglied in der Feuerwehr Haundorf ist, sondern auch beim Bayerischen Roten Kreuz, bemerkte das nicht selbstverständliche Engagement der Einsatzkräfte an einem Samstagabend, schließlich könnte ja jeder auf dem Sofa liegen bleiben.
Werner Kastner, als zuständiger Kreisbrandrat des Landkreises, bedankte sich vor allem für die gute Zusammenarbeit aller einzelnen Fachbereiche. Dieses Zusammenwirken ist für einen guten Einsatzverlauf essentiell wichtig. Der örtliche Bereitschaftsleiter Paul Pfeifer aus Gunzenhausen bemerkte, dass das Üben der neuen MANV-Richtlinie (Massenanfall von Verletzten) aus dem Januar dieses Jahres enorm signifikant für alle Sanitäter ist. Die neuen Strukturen müssen eingeübt werden und in die Routine übergeben. Ebenfalls bedankten sich beide Führungskräfte bei dem Jugendrotkreuz Gunzenhausen, für die sehr realistische Darstellung der Situation und der Verletzten. Die Gruppenleiter Norbert Schneider, Margit Fackler-Liedtke und Guido Liedtke gaben ihr Bestes und gestalteten ein authentisch wirkendes Bild, welches fast für echt befunden werden konnte.
Text Paul Pfeifer/Bilder Christian Brunner